Jahresbericht Familien in Not (FIN) 2024

Das Jahr 2024 war für Familien in Not (FiN) ein Jahr voller Herausforderungen aber auch voller Engagement. Inmitten einer sich wandelnden sozialpolitischen Landschaft, geprägt von wirtschaftlichen Unsicherheiten, steigenden Lebenshaltungskosten und den anhaltenden Folgen globaler Krisen, stehen wir vor der bedeutenden Aufgabe, Kinder und Familien in akuten Notlagen zu unterstützen. Soziale Ungleichheiten haben sich auch in diesem Jahr 2024 weiter verschärft und viele Familien sind mit existentiellen Ängsten konfrontiert.

Im Jahr 2024 haben sich insgesamt 110 Familien an FiN gewandt, 57 davon vermittelt von Dritten, u.a. von anderen Beratungsstellen, Behörden, Kitas, Jugendhilfeträgern oder dem Frauenhaus. Der Großteil der Hilfesuchenden sind Mütter, die meisten alleinerziehend.

Wiederkehrende Krisen

Die Anlässe bzw. Lebenslagen, die zur Kontaktaufnahme führten, waren:

  • Schule, Berufsausbildung, Studium: Zu diesem Themenfeld kommen zahlreiche Anfragen sei es Schulstart, Neuausstattung mit Schulmaterial nach Zuzug aus einer anderen Region, Beginn oder Wechsel in Ausbildung oder Studium, Gebühren, Fahrkosten, Grundausstattung, Überbrückungsleistungen
  • Trennung und Verlust: Tod eines Elternteils, Tod eines Kindes, Scheidung der Eltern, daraus familiäre und finanzielle Belastungen, Probleme bei der Ausübung der elterlichen Sorge, des Umgangs, oft Unterhaltsstreitigkeiten
  • Krankheit oder Behinderung von Kindern oder Eltern: Kosten für Medikamente, Hilfsmittel, besondere Anschaffungen, Therapien, Beratung zu Leistungsansprüchen und Vermittlung weiterführender Hilfen
  • Schwangerschaft und Geburt: Früh- oder Mehrlingsgeburten mit den besonderen Bedarfen, Babyerstausstattung, Beratung und Unterstützung insbesondere für junge Mütter oder Eltern
  • Erhöhte Strom- und Heizkosten: 2024 schlugen die hohen Energie- und Lebenshaltungskosten zu Buche, spürbar bei den Nebenkostenabrechnungen oder beim Einkaufen. Energiesperren waren oft angedroht oder bereits vollzogen
  • Teilhabe: Finanzierung von Kursgebühren, Sportausstattung, Kinderfreizeiten oder Familienurlaub
  • Und immer wieder nicht geregelte Übergangssituationen, Zuständigkeitsablehnung von Kostenträgern, lange Bearbeitungszeiten von Leistungsanträgen, Verschwinden von Unterlagen, Nichterreichbarkeit von behördlichen Stellen.

Strukturelle Mängel

Die gesetzlichen Leistungen z.B. für Bildung und Teilhabe sind zu häufig nicht bedarfsdeckend, der Verwaltungsaufwand ist hoch und Hilfe kommt nicht bei allen Familien an. Teilhabeleistungen reichen nicht für die Förderung von Talenten im musischen oder sportlichen Bereich und vom sozialen Miteinander (z.B. beim Kindergeburtstag) sind viele Kinder ausgegrenzt. Eine bedarfsdeckende Kindergrundsicherung und Lernmittelfreiheit werden seit langem von Sozialverbänden gefordert.

Hohe Kosten sind bspw. auch im Bereich Schulstart in vielen Familien nicht gedeckt. Die diesjährige Schulstartaktion des Sozialfonds Hildesheim war entsprechend stark nachgefragt: Das Diakonische Werk Hildesheim hat in den Dienststellen Alfeld, Bockenem, Elze, Hildesheim und Sarstedt Familien mit geringem Einkommen mit bis zu 100,00 € für 99 Erstklässler mit insgesamt 9.750,00 € unterstützen können, 1.300 € über dem veranschlagten Budget. Darüber hinaus musste 18 Familien abgesagt werden. Der tatsächliche Bedarf ist also offenkundig deutlich höher als die zur Verfügung stehenden freiwilligen Mittel des Landkreises Hildesheim für den Sozialfonds.

Runder Tisch Kinderarmut

Darum haben wir im Landkreis Hildesheim einen Runden Tisch Kinderarmut mit initiiert und setzen uns gemeinsam mit Vertreter*innen von Verwaltung, Politik und Verbänden seit 2018 dafür ein Kinderarmut und Folgen von Mangellagen auf kommunaler Ebene zu bekämpfen. Der Runde Tisch plant nach der erfolgreichen Durchführung einer Sozialraumkonferenz in Alfeld 2024, eine angepasste Version dieser Konferenz in Bockenem im Jahr 2025. Hier geht es darum, die besonderen Bedarfe dieser Orte in Bezug auf prekäre Lebenslagen und Versorgungslücken aufzuzeigen.

Seit Herbst 2024 ist der Runde Tisch nun auch auf der Homepage des Landkreises Hildesheim präsent:

https://www.landkreishildesheim.de/B%C3%BCrgerservice/B%C3%BCrgerservice/Familie-Kinder/Runder-Tisch-Kinderarmut/

Die Arbeitsgemeinschaft „Gemeinsam gegen Kinderarmut“ hat sich am 3. Juni im Familienzentrum Maluki und am 4. November im Stadtteilbüro in der Nordstadt getroffen, um die weiteren Maßnahmen zu diskutieren. Das Ziel der AG ist es Themen und Perspektiven der teilnehmenden Berufsgruppen beim Runden Tisch gegen Kinderarmut einzubringen und die Bedarfe aus den verschiedenen Bereichen und Stadtteilen Hildesheims aufzuzeigen.

Aktuelles und Neuigkeiten

Gisela Sowa, langjährige Koordinatorin von FiN, hat die Leitungsfunktion zum Jahresende an Jana Kuschel übergeben und sich in den Ruhestand verabschiedet. Jana Kuschel wird neben der Beratungstätigkeit FiN zukünftig als neue Koordinatorin sowohl beim Runden Tisch Kinderarmut als auch bei der AG gegen Kinderarmut vertreten.

Aus dem Vorstand der Stiftung hat sich nach langjähriger guter Zusammenarbeit Petra Schlote zurückgezogen, um sich ihren weiteren umfangreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten widmen zu können. Wir danken ihr vielmals für ihr Engagement für Familien in Not.

Spenden

Neben zahlreichen Einzel-, Dauer- und Anlassspenden konnten wir uns über das Engagement gesellschaftlicher Gruppen freuen: Mit den Spenden der Söhlder Fastnachtfrauen und des Internationalen Chores „Hildesheim spendet Wärme“ konnten wir schnell und unbürokratisch diverse Notlagen abfedern und Sonderbedarfe decken. Ebenfalls segensreich waren die Sondermittel des Diakonischen Werkes in Niedersachsen aus der NDR-Spendenaktion „Hand in Hand für Norddeutschland“ für unser Projekt „Glücksmomente für Familien in Not“. Wir konnten unterschiedliche Familienaktionen wie Kino- oder Zoobesuch, Jahreskarten für das Rastiland, den Freizeitpark Sottrum, Schwimmbad- und Weihnachtsmarktbesuch möglich machen.

Veranstaltungen und Netzwerkarbeit

Das Jahrestreffen FiN fand am 29.02.2024 unter dem Motto „Bildungs- und Wachstumsmotor – Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche in der Region“, bei KSM Castings GmbH, einem langjährigen Unterstützer aus dem Netzwerk von FiN, statt. Nach einem Impulsvortrag von Bernd Westphal, wirtschaftpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, folgte eine spannende Podiumsdiskussion besetzt mit Matthias Mehler, dem Vorstandsvorsitzenden des Verbandes Unternehmer Hildesheim, Ellen Osterode-Meyer, Leiterin der Realschule Himmelstür, Gisela Sowa, Koordinatorin der Stiftung FiN, Malte Spitzer, Sozialdezernent der Stadt Hildesheims und Bernd Westphal. Moderiert wurde die Diskussionsrunde von Matthias Ullrich, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hildesheim Region mbH.

  • Am 13.05.2024 fand ein Austausch mit Lena Dupont, MdEP auf Einladung von Herrn Mehler von den Unternehmern Hildesheim in der Bischofsmühle.
  • Besuch einer Veranstaltung mit der niedersächsischen Kultusministerin Julia Willie Hamburg am 27.05.2024 in der Kufa. Kritischen Nachfragen zum 2. Digitalpakt und konkret zur Finanzierung von Tablets sowie zur Lernmittelfreiheit antwortete sie ausweichend. Eine Förderung durch das Land Niedersachsen ist hier in absehbarer Zeit aufgrund der Haushaltslage nicht in Sicht.

Am 27.08.2024 haben wir FiN bei einer Mitgliederversammlung des Lions Club Hildesheim-Rose vorgestellt. Der Lions Club hatte im Vorjahr eine Plattenbörse mit gespendeten Schallplatten zu Gunsten von FiN organisiert. Dank dieser segensreichen Spendenaktion konnten Notlagen von zahlreichen Familien und deren Kindern gelindert werden.

Am 29.10.2024  präsentierte sich FiN beim FLURfunk, dem Vernetzungstreffen Hildesheimer Stiftungen.

Wir danken allen Unterstützerinnen und Unterstützern und den Mitgliedern unseres Netzwerks, die uns auf diesem Weg belgeiten und sich gemeinsam mit uns für eine bessere Zukunft der Kinder und Familien in unserer Region einsetzen.

Hildesheim, im März 2025 / Gisela Sowa, Jana Kuschel