Jahresbericht 2023 der Bahnhofsmission

Jahresbericht der Bahnhofsmission Hildesheim 2023

Das Jahr 2023 begann mit einer wichtigen Erweiterung unseres Angebots am Hauptbahnhof. Seit Januar `23 kann die Bahnhofsmission auch samstags verlässlich öffnen. Damit wird eine wichtige Lücke am Wochenende für Bedürftige und Wohnungslose geschlossen. Dank landeskirchlicher Gelder, die unter dem Begriff „#Wärmewinter“ für zahlreiche soziale Projekte und Maßnahmen zur Verfügung gestellt wurden, konnte eine befristete Minijobstelle in der Bahnhofsmission installiert werden. Miriam Raabe hat die Aufgabe übernommen und verantwortet nun verlässlich den Samstagsdienst mit Unterstützung aus dem Team der Ehrenamtlichen.

Wie erwartet, wurde der zusätzliche Öffnungstag sofort gut angenommen. Dies schlägt sich entsprechend in der Jahresstatistik nieder. Auffallend ist, dass es samstags durchaus auch andere Gäste in die Bahnhofsmission zieht als während der Woche. Es kommen dann auch Bedürftige, die werktags eher in anderen Einrichtungen wie dem Tagestreff für Wohnungslose („Lobby) oder der Vinzenzpforte Zeit im Warmen verbringen können. Es ist offensichtlich, dass die Bahnhofsmission hier eine Versorgungslücke geschlossen hat.
Die Finanzierung des Samstagsdienstes ist inzwischen auch für 2024 gesichert. Das freut uns sehr.

Die Zahlen des Jahres 2023 und zum Vergleich 2022 im Überblick :

 

  • Die Zahl der Kontakte stieg um 27% gegenüber dem Vorjahr. Ein Großteil dieser Kontakte (1192) geht auf die zusätzliche Öffnung am Samstag zurück.
  • Auffällig hoch ist nach wie vor der Anteil männlicher Gäste mit 69%. Die überwiegende Zahl gehört der Altersgruppe von 27 bis 65 Jahren an.
  • 78% der Gäste befinden sich in besonderen sozialen Schwierigkeiten. Das können sein: finanzielle Schwierigkeiten, (drohende) Wohnungslosigkeit oder prekäre Wohnverhältnisse, Verlust von Arbeitsplatz, Altersarmut, familiäre Schwierigkeiten, häusliche Gewalt und vieles mehr…
  • Ein Drittel der Gäste leidet unter psychischen Auffälligkeiten, viele davon gleichzeitig auch unter Abhängigkeitserkrankungen.
  • 16% der Hilfesuchenden wenden sich aufgrund einer Behinderung an die Bahnhofsmission
  • Und nur 13% der Kontakte sind Reisende
  • Der Anteil Hilfesuchender mit migrationsspezifischem Unterstützungsbedarf liegt bei 6%. Es handelt sich in der überwiegenden Zahl um Menschen aus osteuropäischen EU-Staaten handelt (Polen, Ungarn, Lettland, Rumänien usw.), die mit falschen Hoffnungen und Versprechen nach Deutschland gelockt werden und hier nicht auf dem regulären Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Sie haben keinerlei Leistungsansprüche im deutschen Sozialsystem, finden keine Wohnung und leben auf der Straße ohne jegliche finanzielle Unterstützung. Sie sind von den materiellen Hilfsangeboten der Bahnhofsmission und anderen sozialen Einrichtungen abhängig. Für diese Menschen (zumeist Männer) ist es extrem schwer aus dem Teufelskreis „keine Wohnung – keine Arbeit“ und umgekehrt herauszufinden, auch wenn sie arbeitswillig und –fähig sind. Erschwerend kommen oft noch mangelnde Sprachkenntnisse hinzu.
  • Im Laufe des Jahres haben 6 Schülerinnen und Schüler ein Sozialpraktikum in der Bahnhofsmission absolviert. Zwei Konfirmandengruppen kamen zu Besuch.

Das Team der Bahnhofsmission

Das Team der Bahnhofsmission besteht stabil aus ca. 15 Ehrenamtlichen, einer hauptamtlichen Leitung mit 25 Wstd. und seit Januar 23 einer Samstagskraft auf Minijobbasis. Die Ehrenamtlichen bringen sich sehr engagiert je nach privater Situation mit unterschiedlich hohem Zeitaufwand ein. Wir haben 2023 gemeinsam an der Hildesheimer „Ökumenischen Langen Tafel“ (s. Foto) mitgewirkt, einen Teamausflug nach Goslar gemacht und 500 kg Äpfel auf der Streuobstwiese der Evang. Kirchengemeinde in Harsum geerntet und zum Mosten gebracht. Der Apfelsaft kann nun in der Bahnhofsmission an die Gäste ausgeschenkt werden.

Fortbildungen

  • Hygieneschulung:

Im Frühjahr wurde eine Hygieneschulung von einer zertifizierten Hauswirtschafterin für das gesamte Team der Bahnhofsmission angeboten, damit die gesetzlichen Vorgaben des Gesundheitsamts, die den Alltag der Bahnhofsmission betreffen, eingehalten und umgesetzt werden. Dies betrifft insbesondere den Umgang mit Lebensmitteln, Händehygiene, Reinigung der Arbeitsflächen sowie das Verhalten bei meldepflichtigen Krankheiten (z.B. Kopfläuse, Krätzmilben), wie sie hin und wieder bei Gästen auftauchen.

  • Deeskalationstraining und Gesprächsführung: 

Die starke Zunahme Hilfesuchender, die die Bahnhofsmission aufsuchen, führt spürbar auch zu einer Steigerung aggressiver Situationen im Gastraum. Pöbeleien, Beschimpfungen, Beleidigungen der Gäste untereinander aber auch gegenüber dem diensthabenden Personal häufen sich. Zum Glück kam es bisher noch nicht zu tätlichen Übergriffen. Damit es zu solchen bedrohlichen Situationen möglichst gar nicht erst kommt bzw. diese rechtzeitig entschärft werden können, gab es für alle Mitarbeitenden das Angebot eines Deeskalationstrainings sowie einen Übungstag zur professionelleren Gesprächsführung mit schwierigen, häufig psychisch belasteten Menschen. Eingeladen und gekommen waren auch die Kolleginnen der kleineren Nachbar-Bahnhofsmission in Lehrte. Die Finanzierung der beiden Fortbildungstage konnte mit Mitteln aus dem Spendentopf „Hand in Hand für Norddeutschland“ gesichert werden.

  • Mutmacher:in am Bahnhof – ein gemeinsames Projekt der Bahnhofsmissionen und der Deutsche Bahn Stiftung:

Die Leiterin der Bahnhofsmission Hildesheim hat 2023 an der von der „Deutsche Bahn Stiftung“ finanzierten Fortbildung zur Mutmacher:in teilgenommen und ihre Beratungskompetenzen in psychosozialer Beratung vertieft. Wir dürfen uns jetzt also Mutmacher-Bahnhof nennen und das bewerben.

Das Projekt ist eine Antwort auf den allgemein steigenden Beratungsbedarf und die zunehmend komplexen Problemlagen der Hilfesuchenden am Bahnhof. Mutmachen am Bahnhof bedeutet vor allem, sich die Zeit nehmen zu können, längere Gespräche zu führen und die inneren Ressourcen der Betroffenen zu stärken. Zeit ist zugleich aber auch der größte begrenzende Faktor für die Leitung. Die konkrete Umsetzung in ein reguläres Angebot ist daher noch nicht erfolgt.

Ausblick

Nachdem zum Jahresende 23 die Förderzusage von „Aktion Mensch“ für das vorgeschlagene Projekt „Mobile Reisebegleitung im Regionalverkehr“ eingegangen ist, wird es in 2024 darum gehen, die Projektstelle möglichst zügig zu besetzen und in den laufenden Betrieb der Hildesheimer Bahnhofsmission zu integrieren. Das Projekt hat eine Laufzeit von fünf Jahren.  Das neue Angebot richtet sich an Reisende jeden Alters, die aus den unterschiedlichsten Gründen eine Bahnfahrt ohne Begleitung nicht bewältigen können. Für sie soll ein Team Ehrenamtlicher Reisebegleiter und – begleiterinnen gewonnen und  geschult werden, die in der Lage sind, Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen im Regionalverkehr sicher und zuverlässig zu begleiten. Die Bahnhofsmission reagiert damit auf den wachsenden Bedarf an barrierefreiem Reisen und gesellschaftlicher Teilhabe in Bezug auf Mobiltlität. Wir sind sehr gespannt, wie sich das Vorhaben entwickelt und von der Zielgruppe angenommen wird.