Gottes Wunsch und menschlich Wirklichkeit - Familie in der Bibel

Einige Bibelstellen, in denen es um Familie geht. Manches wird Sie vielleicht überraschen.
Gleich am Anfang der Bibel steht das, was sich Gott bei der Erschaffung des Menschen gedacht hat.
Wir hören aus dem Schöpfungsbericht – 1. Buch Mose, Kap. 1, 27-28

Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde.

Das ist bekannt und keine Überraschung. Gott möchte Vater, Mutter, Kind. So kennen wir es seit altersher. Allerdings wissen wir auch, dass die Geschichte von der Erschaffung der Welt kein Augenzeugenbericht war. Vielmehr ist in ihr etwas zur Erzählung geworden, was uralte Erfahrung war.
Und eine Erfahrung war nun mal die, dass Mann und Frau sich gerne zusammentun und daraus auch neues Leben entsteht – und das ist auch gut so, weil Gott ein Freund oder eine Freundin des Lebens ist.
Eine andere Erfahrung war, dass es bisweilen mit dem fruchtbar sein und sich mehren nicht so gut klappt.
Etwas weiter hinten im 1. Buch Mose, im 16. Kapitel finden wir die Geschichte von Abram und Sarai:

Sarai, Abrams Frau, gebar ihm kein Kind. Sie hatte aber eine ägyptische Magd, die hieß Hagar. Und Sarai sprach zu Abram: Siehe, der HERR hat mich verschlossen, daß ich nicht gebären kann. Geh doch zu meiner Magd, ob ich vielleicht durch sie zu einem Sohn komme. Und Abram gehorchte der Stimme Sarais. Da nahm Sarai, Abrams Frau, ihre ägyptische Magd Hagar und gab sie Abram, ihrem Mann, zur Frau, nachdem sie zehn Jahre im Lande Kanaan gewohnt hatten. Und er ging zu Hagar, die ward schwanger.

Sozusagen eine frühe biblische Version der Patchwork-Familie. Nicht Vater, Mutter, Kind, sondern Mann, Frau, Mutter, Kind. Erst recht als dann Sarai selber schwanger wird und Isaak das Leben schenkt.
Aber mit dem neuen Kind kommen neue Empfindlichkeiten und die bringen neue Probleme mit sich.
Es geht weiter im 21. Kapitel des 1. Buches Mose:

Und Isaak wuchs heran und wurde entwöhnt. Und Abraham machte ein großes Mahl am Tage, da Isaak entwöhnt wurde. Und Sara sah den Sohn Hagars, der Ägypterin, den sie Abraham geboren hatte, wie er Mutwillen trieb. Da sprach sie zu Abraham: Treibe diese Magd aus mit ihrem Sohn; denn der Sohn dieser Magd soll nicht erben mit meinem Sohn Isaak. Das Wort mißfiel Abraham sehr um seines Sohnes willen.  Aber Gott sprach zu ihm: Laß es dir nicht mißfallen wegen des Knaben und der Magd. Alles, was Sara dir gesagt hat, dem gehorche; denn nur nach Isaak soll dein Geschlecht benannt werden. Aber auch den Sohn der Magd will ich zu einem Volk machen, weil er dein Sohn ist. Da stand Abraham früh am Morgen auf und nahm Brot und einen Schlauch mit Wasser und legte es Hagar auf ihre Schulter, dazu den Knaben, und schickte sie fort. Da zog sie hin und irrte in der Wüste umher bei Beerscheba.

Trautes Familienleben sieht anders aus. Nunmehr sind es Vater, Mütter, Kinder, die da miteinander klar kommen müssen – und sie schaffen es nicht.
Ziemlich brutal, wie die eine Mutter die andere vor die Tür setzt. Und Abraham wirkt hier wie ein hilfloser Pantoffelheld.
Die Botschaft ist klar: die menschliche Wirklichkeit unterscheidet sich nun mal doch erheblich von dem, was ursprünglich Gottes Wunsch war.
Spannend ist, wie Gott mit dieser Differenzerfahrung umgeht: er hilft und heilt. Er kümmert sich um die Verstoßene. Wo der Mensch in seinen familiären Beziehungen scheitert, greift Gott rettend ein.
Das finden wir in der Familie Jakobs, dessen 12 Söhne Stress miteinander haben und ihren hochnäsigen Bruder Joseph nach Ägypten verkaufen.
Das finden wir beim König David, der sich von der badenden Batseba betören lässt und dadurch ungewollt seine Familie vergrößert. Und dann muss er dazu auch noch den Ehemann Batsebas beseitigen lassen.
Doch immer wieder ist es in diesen Geschichten Gott, der dafür sorgt, dass das Leben neue Wege findet, dass aus Bösem auch noch Gutes entstehen kann. Er selbst versöhnt immer wieder seinen Wunsch mit der Wirklichkeit der Menschen.

Wir sehen: Familie ist auch in der Bibel keine heile Welt, sondern das ganz normale Chaos der menschlichen Beziehungen. Und doch ist Gott in diesen Beziehungen am Werk und sorgt dafür, dass durch Schuld und Versagen hindurch Menschen in der Familie ihren Halt finden.

Damit kommen wir zu Jesus von Nazareth, der Familie in ganz neuer Weise gelebt und gedeutet hat. Wir hören aus dem 31. Kap. des Markusevangeliums:

Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.

Familie sind hier nicht Vater, Mutter, Kind – auch nicht Vater, Frau, Mutter, Kind – und auch nicht Vater, Mütter, Kinder. Sondern Familie sind für Jesus schlicht und einfach die Menschen, die Gott suchen und nach ihm Fragen. Für diese neue Gemeinschaft, die da mit ihm am Entstehen ist, greift er zurück auf eine Bezeichnung, die so alt ist wie die Menschheit. Und das aus gutem Grund. In einer Familie gehört man zusammen. Auch wenn man zerstritten oder gar verfeindet ist - man bleibt trotzdem eine Familie. Wir können uns gut verstehen - wir können uns gegenseitig furchtbar auf die Nerven gehen. Wir gehören trotzdem zusammen, weil wir Familie sind. Da ist ein Zusammenhang, der über den Wunsch und Willen des Einzelnen hinaus geht. Ein Zusammenhang, in den wird man hineingestellt und dann muss man das Beste daraus machen.
So schön und so schrecklich ist Familie nun mal – in welcher Gestalt auch immer wir sie leben. Amen.